Lernen ist Leben und Leben ist Lernen.

Ich bin Mentor von João, einem Colearner im Effinger und habe ein längeres Interview mit ihm zu seinem Lernverständnis geführt. Hier veröffentliche ich ein paar seiner eindrücklichen Aussagen, die auch meine Vision vom Lernen im Colearning Bern bestätigen.

… Homeschooling und Colearning ist nicht einfach Schule zuhause, sondern es geht um das Finden und Verwirklichen eigener Themen, um ein neues Mindset: Ich kann und muss mich mehr selbst steuern, mich selbst motivieren, mich selbst organisieren.

Ich will es selbst tun, selbst denken, meinen Weg suchen und finden

… Ich will mein Leben leben, selbst gestalten, mein Leben spüren, Grenzen ausloten. Ich will viel Positives sehen, erleben und weitergeben. Ich möchte in allen Lebenssituationen mit mir zufrieden sein. Ich schaue in einen Spiegel und sehe eine zufriedene Person. Und diese lebensfrohe Person kann Probleme besser lösen.

… Ich möchte das Prinzip des Lebens begreifen. Ich will älter und weiser werden. Ich will nicht nur wissen, ich will begreifen, ich will Bewältigungsstrategien für ein gutes Leben erfahren und kennenlernen. Lernen ist für mich möglichst viele Erfahrungen sammeln und aus gescheiterten Situationen die für mich richtigen Konsequenzen ableiten und umsetzen. Der Prozess des Scheiterns ist für mich sehr wichtig: Immer wieder probieren, neue andere Wege gehen. Manchmal will ich auch mit dem Kopf durch die Wand.

Ich will nicht nur wissen, ich will begreifen

… Lernen ist Erweiterung des Geistes. Lernen ist für mich das Bereitstellen und zur Verfügung haben von Strategien und guten Erfahrungen in meinem Kopf. Das ist nicht nur Wissen aus Büchern oder dem Internet, es sind auch die sozialen Erfahrungen, die eine wichtige Rollen spielen. Ich verfüge über Möglichkeiten und Strategien mein Leben gut zu bewältigen.

… Neues Wissen eigne ich mir so an: Wenn ich wissen will, wie beispielsweise der Satz von Pythagoras funktioniert, dann schaffe ich mir innere Bilder, wie das aussieht. Ich will auch wissen, wer Pythagoras war, wo er gelebt hat. Ich versuche alle Details zu erfassen und verpacke sie dann in eine einfache, für mich verständliche Form. Wenn ich etwas mit eigenen Worten beschreiben kann, dann habe ich eine Sache begriffen, dann habe ich gelernt. In einem Blog beschreibe ich nachher den Sachverhalt und den gebe ich dann gerne anderen weiter. Ich teile meine Erkenntnisse gerne mit anderen.

Lernen macht Spass, wenn ich meine eigenen Themen bearbeiten darf, wenn mich Themen interessieren.

… Häufig passiert, dass ich etwas beginne, das mich interessiert und dann stosse ich während der Arbeit auf neue Themen, die sich aus den ersten ergeben und dann forsche ich weiter und weiter und entdecke neue, spannende Sachen, Inhalte und Personen. Damit ich mich ins Lernen vertiefen kann, brauche ich eine Herausforderung und Ruhe. Konzentriert bin ich, wenn die Lösung nicht unmittelbar vor mir liegt, wenn es an mir liegt etwas herauszufinden. Meine Vorstellungskraft hilft mir dabei. Es gibt mir ein gutes Gefühl, wenn ich Puzzleteil um Puzzleteil einer Lösung näher komme.

Das Colearning im Effinger motiviert mich, es ist ein guter Erfahrungsraum und ein guter Lernplatz.

… Der Effinger hat meinem Lernen eine neue Struktur gegeben, ich habe auch eine neue Beziehung zu meinem Lernen gefunden. Der Lernort hat mir gefallen und ich konnte im ersten Jahr viel über mein Lernen lernen erfahren und ausprobieren. Ich habe gelernt mich selbst zu motivieren. Hier kann ich meine Lernselbstgespräche führen. Der Effinger ist mein Rückzugsort, anders als zuhause bin ich hier viel mehr im Kontakt mit anderen. Das Colearning im Effinger motiviert mich, es ist ein guter Erfahrungsraum und ein guter Lernplatz.

 … Ich kann mir vorstellen, dass ich in Zukunft dem Lernort auch wieder etwas zurückgeben kann: Als Host oder als Mentor für neue Colearner. Ich habe beim Erklären der Mathematik bei meinem jüngeren Bruder gemerkt, dass es sehr befriedigend ist, wenn ich anderen etwas zeigen oder erklären kann.

Ich lerne gerne etwas Neues, das ist für mich ja das Ziel des Lernens.

… Zu Beginn des Homeschoolings tat ich mich beim Organisieren des Lernens schwer. Ich war dauernd abgelenkt. Ich musste das selbstständige Lernen üben. Zum Glück haben mich meine Eltern unterstützt, haben an mich geglaubt und haben mich gefördert. Die grösste Unterstützung kommt aber von mir selbst. Meine Motivation und meine Überzeugungen sind die wichtigste Lernkräfte. Das Internet ist ein sehr wichtiges Hilfsmittel beim Lernen und viele Grundlagen hole ich mir aus Büchern, die ich mir in der PH-Bibliothek ausleihe.

… Mein Lernplan ist flexibel: Einige Themen vertiefe ich, andere verkürze ich und einiges lasse ich bewusst weg. Ich darf das auch so machen. Meine wichtigste Strategie bei einem Lernstau ist: 2 Schritte zurück, das Problem neu anschauen und wieder beginnen.

… Mein idealer Lernraum ist ein Raum, in dem ich entspannt arbeiten kann. In einer angespannten und nervösen Umgebung kann ich nicht lernen. Ein idealer Lernraum war für mich beispielsweise auch Fabricool oder ist die Bibliothek der PH Bern. Ich schätze, wenn andere Leute um mich herum sind, denn Menschen sind soziale Wesen und fühlen sich wohler, wenn andere Personen in ihrer Nähe sind.

… Der Wettbewerb mit meinen Freunden stärkt meine Fähigkeit zu Lernen. Das gleiche gilt, wenn ich merke, dass ich dazulerne, wenn ich meinen Anteil für ein Kollektiv leisten kann. Bestärkt werde ich auch, wenn ich etwas präsentieren kann und die Zuwendung und Anerkennung der anderen finde. Jeder Mensch braucht nach meiner Meinung Wertschätzung und Bestätigung. Vorbilder finde ich in historischen Biografien. Mein Selbstvertrauen ist auch stark inspiriert von Felix PewDiePie, einem schwedischen Webvideo Produzenten und Betreiber des gleichnamigen YouTube-Kanals auf welchem er vor allem verschiedene Gaming Formate veröffentlicht. Seine Art und Weise etwas zu präsentieren fasziniert mich.

Lernen ist Beziehung. Das heisst, ich kann gut lernen, wenn ich mich akzeptiere, ein gutes Selbstbild habe. 

… Neues lerne ich gerne mit mir allein, für mich heisst das Lernen mit mir. Beim Lernen bin ich mit mir verbunden. Lernen ist Beziehung. Das heisst, ich kann gut lernen, wenn ich mich akzeptiere, ein gutes Selbstbild habe. Vieles lernen wir unbewusst, es geschieht einfach. Der bewusste Teil des Lernens, das was ich auch erklären kann, das ist nach meiner Meinung der Kraftstoff für das Lernen. Das Sichtbarmachen, Verstehbarmachen und das Teilen meiner Lernerfahrungen finde ich heute viel wichtiger.

 … Ob diese Form des Lernens auch in der öffentlichen Schule möglich ist, kann ich im Moment zu wenig beurteilen. Ich bin überzeugt, wenn Lehrpersonen nur Lehrer sind, dann wird es schwierig. Ich denke, wenn eine Lehrperson es schafft, gute persönliche Beziehungen zu den Schülerinnen und Schülern aufzubauen, dann könnte es gelingen. Dann begegnen die Jugendlichen ihren Lehrpersonen auch mit dem nötigen Respekt und hören ihnen zu.

… Wichtige Inputs zum Leben und Lernen hole ich mir in Gesprächen mit meinen Eltern. Wir diskutieren oft über Existenz und was ist was, was ist wichtig und was ist bedeutungsvoll. Wir philosophieren über wichtige Dinge des Lebens und im Speziellen auch über das Lernen. Und daraus habe ich mir einen wichtigen Leitsatz gemerkt: Lernen ist Leben und Leben ist Lernen.


Bilder aus dem Internet