Ich lerne, also verstehe ich

Was ist Mathetik?

Mathetik ist eine notwendige Korrektur des gedankenlos verabsolutierten Prinzips der Didaktik: dass Lernen auf Belehrung geschähe. von Hentig, 1985*

Mathetik die Wissenschaft vom Lernen betrachtet Lehren und Lernen, nach reformpädagogischer Sichtweise radikal von den Kindern aus, orientiert sich an den Lernenden, im Gegensatz zur Didaktik, die meistens von den Lehrenden ausgeht. Mathetik betont eine menschengerechtere und gehirngerechtere Orientierung des Lernens an den Bedürfnissen der Lernenden. Die Art der Wissensvermittlung, wie sie in den heutigen Schulen geschieht, wird von den Forschungsergebnissen der Neurowissenschaft immer mehr in Frage gestellt.

Es ist an der Zeit, auch die didaktischen Schlussfolgerungen zu ziehen, die uns Lern- und Hirnforschung unisono nahelegen. Wir sollten der Tatsache Rechnung tragen, dass Menschen lernfähig, aber unbelehrbar sind. Rolf Arnold*

Mathetik geht von einem konstruktivistischen Verständnis von Lernen aus. Lernen ist ein aktiver, selbstorganisierter Prozess. Das Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden ist herrschaftsfrei, das heisst Schüler, Schülerinnen und Lehrpersonen begegnen sich in einem Dialog auf Augenhöhe. Mathetik fördert die Persönlichkeitsentwicklung des Lernenden und diese Entwicklung wird durch alle Erfahrungen, die er mit sich selbst und seiner Umwelt macht, geprägt. Alles wirkt zusammen.

Im Mittelpunkt mathetischen Denkens stehen die Kinder, ihre Ausdauer, sich mit etwas zu beschäftigen, ihre jede Konvention beiseite lassenden Gedanken und Theorien über die Welt, ihre Auffassungsgabe, ihre individuelle Lerngeschwindigkeit, ihre Neugier. Freinet*

Wenn wir die mathetischen Ideen von Freinet weiterdenken, dann sind Lernorte ganz anders organisiert. Die Selbstorientierung und die Selbstbestimmung der Lernenden stehen im Zentrum, auf vorgeschriebene Themen und Inhalte wird verzichtet. Wichtig ist, was Kinder und Jugendliche lernen wollen und was sie interessiert. Es gibt keine Jahrgangsstufen. Alle sind selbsttätig Lernende und Lernen ohne Lehrer gelingt.

Man kann Menschen nichts lehren, man kann ihnen nur helfen, es in sich selbst zu tun. Galileo Galilei*

Eine Gemeinsamkeit haben die meisten mathetischen Modelle: Eine hohe Beteiligung von Schülerinnen bei der Planung und Realisierung ihres Lernens. Mathetisches Handeln ermöglicht Kindern und Jugendlichen, dass sie selbst Fragen stellen, ihre Fragen finden und lernen, diese zu beantworten.

Fragen Sie doch ab und zu mal Ihre Schülerinnen und Schüler, wenn Sie nicht mehr weiter wissen, wie sie sich fühlen, wie sie Ihren Unterricht finden, dann haben Sie, liebe Lehrerinnen und Lehrer, mehr Freude am Lehren und sie, die Schülerinnen und Schüler, bestimmt mehr Freude am Lernen.​ Dominik Pokrivac, Schüler Real c, an einer Veranstaltung an der PHBern*

Mathetik hat auch politische Dimensionen, sie trägt zur Gleichberechtigung, zu einer bewussteren Entscheidungsfreiheit und Entscheidungssicherheit und zu einem besseren Verständnis und sicheren Umgang in unserer komplexen, widersprüchlichen, heterogenen und sich ständig wandelnden Welt bei. Lernende handeln autonom, selbstbewusst und angstfrei. Zeugnisse und punktgenaue Beurteilungen machen kaum noch Sinn und fallen weg.

Lernen braucht keine Wände. Philipp Zimmer, Schulleiter und Schulentwickler*

Lehren wird in der Mathetik zu einem umfassenden, offenen Angebot an die Lernenden. Es geht nicht nur um Inhalte, das Schaffen einer guten Beziehung spricht Emotionen, Motivation und den Willen der Lernenden an. Daraus folgt für die Lehrenden auch, sich einem relativistischen Standpunkt zu verpflichten und ihre Haltung auch immer wieder zu hinterfragen in einem offenen und freien Austausch mit den Lernenden.

Hilf mir, es selbst zu tun. Zeig mir, wie es geht. Tu es nicht für mich. Ich kann und will es allein tun. Hab Geduld, meine Wege zu begreifen. Sie sind vielleicht länger, vielleicht brauche ich mehr Zeit, weil ich mehrere Versuche machen will. Mute mir Fehler zu, denn aus ihnen kann ich lernen. Bitte eines Kindes an Maria Montessori*

Ich denke, ich habe es verstanden.